…Wie sich Ihre Auszubildenden durch das Vorlesen von Geschichten besser fokussieren und ihre Stimme trainieren.

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Sie schießen den ganzen Tag Selfies und hängen in ihrer Freizeit mit ihren Freunden ab – auf der Arbeit sind sie unkonzentriert und ohne Fokus. Würde man in Klischees denken, so wäre diese Schlussfolgerung wohlmöglich tatsächlich wahr. Die fehlende Fähigkeit zur Fokussierung von Auszubildenden kann aber auch an einer mangelnden Lesekompetenz liegen, denn „von einer gut entwickelten Lesekompetenz hängen Ausbildungsfähigkeit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ganz wesentlich ab. In den PISA-Studien wurde festgestellt, dass fast ein Viertel der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein nicht über ausreichende Kompetenzen im Lesen verfügt.“ (Quelle: https://nzl.lernnetz.de/index.php/lesepaten.html)

 

Um so mehr freute ich mich, als ich auf dem letzten Workshop für jugendliche Lesepaten mit gleich 16 Teilnehmer und Teilnehmerinnen gutes Vorlesen üben durfte. Dabei war ich vom Engagement der Heranwachsenden beeindruckt. Die Anwesenden nehmen sich regelmäßig Zeit, um Grundschulkindern vorzulesen und sie dadurch zum selberlesen zu ermuntern. Dass das automatisch einen positiven Effekt auf ihre eigene Lesekompetenz hat, ist klar. Das vorherrschende Klischee einer Generation, die den ganzen Tag nur Selfies schießt, geriet also ins Bröckeln.

 

Der ein oder andere Erwachsene kann sich in diesem Fall von den 14- bis 16-jährigen Schülern und Schülerinnen der bayerischen Realschule durchaus noch etwas abschauen. Zum einen fungieren sie hier als echte Rolemodels, indem sie sich mit Vorlesen sinnvoll in die Gesellschaft einbringen. Zum anderen trainieren sie durch das Vorlesen gleichzeitig ihren Fokus und auch ihre Stimme. Wozu das vor allem wichtig ist und was auch wir Erwachsenen daraus mitnehmen können, dazu komme ich später. Jetzt erstmal zu den Übungen, mit denen ich mit großem Spaß den jungen Vorlesern beibringe, wie man ansprechend und lebendig vorliest.

 

Erstmal geht es natürlich um die klassischen Tools für gutes Sprechen und Lesen. Ich zeige ihnen, wie man eine gute Körperhaltung einnimmt, wie sie auf ausreichende Sprechund Atempausen achten und wie sie deutlich artikulieren. Hauptsächlich geht es aber darum, den Jugendlichen die Welt ihrer Stimme zu eröffnen. Ich zeige ihnen also, was sie alles mit ihrer Stimme machen können. Beim Vorlesen wollen sie selbstverständlich authentisch klingen, wenn plötzlich die böse Hexe, die hochnäsige Prinzessin oder der Pumuckl auftritt. Den meisten von ihnen gelingt es dabei, ihre Stimme sehr tief, krächzend oder piepsig klingen zu lassen. Das trägt schon mal zur Authentizität bei. Und zu gemeinsamen Lachern. Das mitreisende Bild von der bösen Hexe oder Rumpelstilzchen entsteht beim Gegenüber und Zuhörer jedoch erst, wenn auch das Charakteristische der Figuren in der Stimme zu hören ist. Hier ist die starke Vorstellungskraft des Sprechers gefragt und seine Fähigkeit, alle Hemmungen abzulegen. Die Jugendlichen schlüpfen voll und ganz in die Rolle und dann passiert es meist von ganz allein: die Pausen werden genau an der richtigen Stelle gesetzt und gehalten, die Lautstärke und das Sprechtempo werden passend zur Situation variiert. Die Wortund Satzakzente unterstreichen schließlich die sinntragenden Textelemente.

 

Michaela Beyer – Stimm- und Sprechtrainer Ulm – BlogDie Fähigkeit, über Sprache und die Art und Weise des Sprechens, bei Zuhörern Bilder erzeugen zu lassen, kann übrigens auch in anderen Kontexten sehr nützlich sein. In Präsentationen zum Beispiel. Und hier komme ich jetzt zu Ihnen: nutzen Sie selbst also auch jede Gelegenheit und lesen Sie Ihren Kindern, Enkel- oder Patenkindern vor! Oder engagieren sie sich ebenfalls ehrenamtlich als Lesepate oder Lesepatin.(Nähere Informationen finden Sie dazu unter https://familienzentrum-neu-ulm.de/programm/) Und wenn Sie sich noch nicht ganz sicher sind, ob Sie wirklich gut vorlesen können: ich kann sie beruhigen, das können wir trainieren! Seien sich doch einfach bei meinem nächsten Workshop für erwachsene Lesepaten am 23.04.2020 dabei. Ich verspreche Ihnen, sie werden danach sicherer im Präsentieren und stärker in ihrem Fokus werden. Da kann das Vögelchen getrost an Ihnen und Ihren Azubis vorbeifliegen…